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03.07.2024, 23:07 Uhr

Stress macht krank

  • 29.11.2004
  • Allgemein

(New York) Der Standort Deutschland ist krank, in dieser Diagnose sind sich deutsche Manager und Unternehmensvertreter einig - Löhne zu hoch, Pausen zu lang, Arbeitszeiten zu kurz. Deshalb drohen die von Pierers, Schrempps und Rogowskis auch damit, zur Kur zu fahren.

Und  zwar in Niedriglohnländer wie Tschechien, Ungarn oder China. Während jedoch Unternehmer und Politiker über die richtige Therapie für den vermeintlichen Patienten Deutschland diskutieren, übersehen sie eins: Immer mehr Menschen werden wirklich krank, und zwar krank durch Arbeit. Das japanische Phänomen „Karoshi“, bei dem sich die Betroffenen buchstäblich zu Tode arbeiten, ist dabei nur die spektakulärste Variante. Meistens sind die Symptome weniger auffällig: Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, Depressionen. Studien aus den USA und aus Skandinavien zeigen alarmierende Zusammenhänge zwischen den gewandelten Bedingungen am Arbeitsplatz und der Gesundheit der Arbeitnehmer.

„Downsizing, rasches Wachstum und Outsourcing - Maßnahmen, die angeblich der Gesundheit der Volkswirtschaft zuträglich sind, machen einzelne Arbeitnehmer krank,“ schreibt die New York Times in einem Artikel, in dem verschiedene Untersuchungen zum Thema präsentiert werden. Einsparmaßnahmen haben dabei einen doppelten negativen Effekt: Vor dem Downsizing steigt zunächst in der Belegschaft die Angst und damit der Stress. Joanne Ciulla von der Universität Richmond sagt, in vielen Büros herrsche inzwischen ein „Klima der Angst“.

Für die Arbeitnehmer, die ihren Job behalten, steigt die Arbeitsbelastung und der Stress erhöht sich weiter. Nach einer Studie des amerikanischen human-resources-Dienstleisters Kronos sagen 62 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer, dass ihre Arbeitsbelastung in den letzten sechs Monaten erheblich gestiegen sei. Finnische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich das Herzinfarktrisiko nach einer Einsparmaßnahme verdoppelt. Ein Team um Hugo Westerlund vom Schwedischen Institut für Psychosoziale Medizin in Stockholm fand heraus, dass vermehrter Stress sogar unmittelbar den Hormonhaushalt beeinflusst: Er verglich Firmen, die sich gerade im Umbruch befinden mit „stabilen“ Firmen. Das Ergebnis: Arbeitnehmer von Firmen im Wandel hatten erhöhte Cholesterinwerte und Bluthochdruck, ebenfalls Anzeichen für ein erhöhtes Herzinfarktrisiko.

Diese Ergebnisse sind für jeden einzelnen Arbeitnehmer problematisch, gehen aber auch an der gesamten Volkswirtschaft nicht spurlos vorbei. US-Wissenschaftler schätzen, dass Stress und  Überlastung jedes Jahr Kosten in Höhe von 300 Milliarden Dollar verursachen: Die Krankenkassenbeiträge steigen, der Krankenstand ist hoch und die Produktivität sinkt. Die Umsätze von psychologischen Dienstleistern, die den Angestellten helfen, mit dem Stress umzugehen, steigen seit Jahren.

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