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03.07.2024, 17:07 Uhr

Bedauerndes Schulterzucken

  • 14.09.2007
  • Konzern

... ist das einzige, was Siemens sich zur desperaten Situation seiner ehemaligen Beschäftigten bei a&o abringen kann. Auf Mitübernahme von Verantwortung oder gar konkrete Unterstützung hingegen hoffen 550 Ex-Siemensianer vergeblich.

Ende August hatten sich der Gesamtbetriebsrat der a&o 4tec mit einem Brief an Siemens-CEO Peter Löscher gewandt und an ihn appelliert, zur Verantwortung Siemens' für die desolate Lage seiner früheren Mitarbeiter zu stehen (Einzelheiten siehe "Totalverlust der Existenzgrundlage"). Während für die ehemaligen Sinitec-Beschäftigten die Uhr tickt - ab Ende September ist unklar, ob beziehungsweise woher sie noch Lohn und Gehalt bekommen -, ließ eine Antwort Löschers auf sich warten.

Geplante Insolvenz?

Der Gesamtbetriebsrat sendete ihm daraufhin am siebten September einen zweiten Brief, in dem er ohne Umschweife auf die Parallelen unter anderem zu BenQ hinwies und seine Befürchtung äußerte, "dass die jetzt beantragte Insolvenz von Anfang an vorbereitet und bewusst herbeigeführt worden ist."

Unter den Beschäftigten, welche die aktuelle Entwicklung schlimmstenfalls mit ihrer Existenzgrundlage bezahlen, trifft es besonders hart die Gruppe der Älteren. Beim Verkauf der Sinitec an a&o wurde es nach Erkenntnis des Insolvenzverwalters offenbar unterlassen, die Mittel für die betriebliche Altersversorgung, Jubiläumszuwendungen und bestehende Ansprüche aus der Altersteilzeit zweckbestimmt und insolvenzsicher anzulegen. Die Folge dieses groben Versäumnisses: der Pensionssicherungsverein muss für die betriebsliche Altersvorsorge einspringen, Mitarbeiter in Altersteilzeit erhalten ab Oktober keinerlei Zahlungen mehr, und Jubilare gehen leer aus.

Vereinbarungen nicht eingehalten

Weitere Unregelmäßigkeiten gab es offenbar bei der Umsetzung des Liefer- und Leistungsvertrags, der als Teil der Übernahme von Sinitec durch a&o die Auslastung bis März 2008 durch damalige SBS sicherstellen sollte. Er ging zwischenzeitlich mit deren Produktservice an den entsprechenden FSC-Bereich ITPS über; unverändert blieb dabei das seltsame Geschäftsgebaren bestehen, offene Rechnungen als Druckmittel zu nachträglichen Anpassungen des Vertrags nach unten zu benutzen, und zwar mit Methode: Nach Auskunft des Insolvenzverwalters wurde das Vertragsvolumen um insgesamt 14 Mio reduziert. Zudem bestanden am achten August noch unbeglichene Forderungen in Höhe von rund fünf Millionen Euro.

Allein diese Summe könnte erheblich dazu beitragen, die für Einführung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erforderliche Summe von ca. 13,5 Millionen Euro aufzubringen. Über deren Finanzierung wenigstens einmal unverbindlich zu reden, sollte für Siemens mit Blick auf mehrere Hundert ehemalige Beschäftigte eigentlich das Mindeste sein.

Verständnis, Bedauern, Abfuhr

Selbst darauf allerdings möchte man sich allerdings unverkennbar nicht einlassen. Im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden antwortete die Abteilung Corporate Investment dem a&o-Gesamtberiebsrat, und zeigte gleich mit einem Schreibfehler im Unternehmensnamen (a&o 4tech statt 4tec), wie intensiv sie sich mit der Angelegenheit und den Beteiligten auseinandersetzt. Der Inhalt des Briefs: Höfliches Bedauern für die Situation der Belegschaft, freundliches Verständnis für die Bemühungen des Gesamtbetriebsrats - und natürlich das Zurückweisen jeglicher Verantwortung, mit dem Hinweis, zum einen habe man a&o als Käufer damals "sorgfältig ausgewählt", zum anderen sei die SBS ihren "vertraglichen Verpflichtungen zu jedem Zeitpunkt in vollem Umfang nachgekommen." Das mag stimmen, wenngleich es beispielweise 2006 auch andere Meinungen gab (siehe Halten Sie Wort, Herr Kleinfeld!) - gilt aber eben nicht für FSC.

Derlei wohlfeile Schutzbehauptungen jedoch klingen mittlerweile verdächtig vertraut. Der Tenor ist bekannt aus einer nicht endenwollenden Reihe von augegliederten und mehr oder minder zeitnah gescheiterten Siemens-Geschäften; der a&o-Gesamtbetriebsrat ist nicht allein mit dem unangenehmen Verdacht, dahinter stehe in vielen Fällen bisweilen Fahrlässigkeit, bisweilen auch Vvorsatz - Hauptsache, Siemens trägt keine unmittelbare Verantwortung mehr, wenn seinen Ex-Beschäftigten der wirtschaftliche Boden unter den Füßen weggezogen wird.