Siemens Dialog
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03.07.2024, 23:07 Uhr

Leistung unter Wert verkauft

  • 15.07.2005
  • Jugend

Info-Veranstaltung für StudentInnen an der Münchner LMU: Praktikanten und Werkstudenten als billige Arbeitskräfte

Nach einer unabhängigen Erhebung im Auftrag des DGB arbeiten derzeit knapp 69 Prozent der rund zwei Millionen deutscher StudentInnen, davon gut ein Viertel in Vollzeit. Im Gegensatz zum Bild vom lustigen Studentenleben geht es dabei meist keineswegs um zusätzliches Taschengeld, sondern die Sicherung des Lebensunterhalts - entsprechend wenig Möglichkeiten haben die Betroffenen meist, sich gegen unfaire Bedingungen zur Wehr zu setzen.

Unter dem Titel "Generation Praktikum" informierten der <link http: www.stuve.uni-muenchen.de stuve referate_aks gewerk _blank>Arbeitskreis Gewerkschaften der Münchner Ludwig Maximilian Universität, die IG Metall Bayern und die Initiative "Students at Work" des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 14. Juli an der LMU über die "Problematik Praktikum": In der Ära von drohenden Studiengebühren, weiteren Einschnitten beim Bafög und Hartz IV sind StudentInnen mehr denn je auf Praktika angewiesen, um über die Runden zu kommen - ganz zu schweigen von Arbeitgebern, die praktische Erfahrung auch bei Absolventen als Grundvoraussetzung für einen Job betrachten.

Der Missbrauch studentischer Arbeitskräfte hat in den letzten Jahren gleichmäßig zugelegt, ein Ende des Trends ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: wie Wolfgang Müller vom Siemens-Team der IG Metall betonte, ist nicht nur der Einsatz von Praktikanten und Studenten für vollwertige Tätigkeiten mittlerweile üblich, sondern auch das so genannte "Kettenpraktikum", bei dem Absolventen in der Hoffnung auf eine Festanstellung eine scheinbar endlose Folge von Praktika in Kauf nehmen. Die Nachteile verspüren dabei nicht nur die Studenten selbst, sondern auch Beschäftigte, deren Aufgaben peu à peu von deutlich billigeren "Scheinpraktikanten" erledigt werden - laut Müller ein "skandalöser Zustand", dessen sich die Politik nur sehr schleppend bewusst wird.

Michael Grindmayer, ebenfalls vom Siemens Team, trug die Ergebnisse einer in den letzten Monaten durchgeführten Untersuchung über die Situation von Werkstudenten nicht nur bei Siemens und Infineon vor. Sie werden häufig durch die gängige Praxis mehr oder minder gezwungen, ihre Leistung unter Wert zu verkaufen. Viele Betroffene nehmen, wiederum in der Hoffnung, dafür eine Chance zur Festanstellung zu bekommen, stillschweigend hin, dass sie weitgehend selbständig und eigenverantwortlich Tätigkeiten etwa in der Software-Programmierung oder im Vertrieb erledigen müssen, die sich de facto durch nichts von denen der festangestellten Beschäftigten unterscheiden - zu einem Entgelt, das selbst in vergleichsweise fairen Unternehmen wie Siemens oder Infineon nur rund die Hälfte der Tarifentlohnung beträgt.

Daniel Taprogge von der DGB-Initiative "<link http: www.students-at-work.de _blank>Students at Work" referierte über den rechtlichen Rahmen der Praktika, die nach seiner Einschätzung vor allem in kleinen Unternehmen und der Gastronomie häufig alle Kriterien eines so genannten "prekären Beschäftigungsverhältnisses" aufweisen. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass das Arbeitsrecht auch dann Mindeststandards gewährleistet, wenn diese per Praktikumsvertrag unterlaufen werden sollen.

Während Interessenvertretungen und Gewerkschaften politisch an der Verbesserung der Situation von Praktikanten und Werkstudenten arbeiten, bleibt dem Einzelnen vor allem ein Art, seine Rechte durchzusetzen: auf dem Rechtsweg. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet gleiche Entlohnung für gleiche Tätigkeiten, ohne Rücksicht auf Statusfragen; Präzendenzfälle, in denen Arbeitsgerichte ausgebeuteten Praktikanten im Nachhinein ein der Tätigkeit entsprechendes Entgelt zugestanden, liegen bereits vor. Wie Wolfgang Müller erklärte, könnte und sollte allein der dafür nötige Rechtsschutz ein Grund auch für StudentInnen sein, sich eine Gewerkschaftsmitgliedschaft rund zwei Euro monatlich kostne zu lassen - "ganz ideologiefrei."