Siemens Dialog
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03.07.2024, 17:07 Uhr

"Ökonomischer Quatsch allererster Güte"

  • 09.10.2008
  • Allgemein

Unter anderem Bayern startete am Donnerstag mit der ersten Verhandlung in die Tarifrunde. Erwartungsgemäß war man sich schnell einig, sich nicht einig zu sein, und vertagte auf den 27. Oktober. Die Arbeitgeber schüren derweil die mit der Finanzkrise einhergehende Angst und malen Untergangsszenarien; in der Öffentlichkeit scheint dies allerdings nur bedingt anzukommen.

Rund 500 Beschäftigte demonstrierten parallel<br>zu den Verhandlungen.

Es geht um mehr - angesichts der wachsenden Finanzkrise stellen allerdings viele derzeit zuerst die Frage, wieviel mehr man mit gutem Gewissen verlangen darf. Da hilft nur, stets die selben Argumente nochmals vorzutragen - so, wie Bayerns IG Metall-Bezirksleiter Werner Neugebauer am Tag vor der ersten Verhandlungsrunde in der Münchner <link http: www.abendzeitung.de nachrichten _blank external-link-new-window>undefinedAbendzeitung:

"Die Forderung ist nach langen Diskussionen in den Betrieben entstanden. Sie liegt an der untersten Grenze. Die Krise stammt schließlich nicht von uns." Dass sie nun vom VBM als Argument für einen niedrigen Tarifabschluss benutzt wird, bezeichnete er wenig zimperlich als "ökonomischen Quatsch allererster Güte".

Branche in guter Verfassung

Parallel dazu wies Neugebauer auf die nach wie vor ausgezeichnete Auslastung der Betriebe hin, die bei über 90 Prozent liegt. Dass sich die Lage dennoch eintrüben wird, ist natürlich nicht zu bestreiten, aber: "Wir kommen von einer gigantischen Auslastung. Dass die Produktionszahlen ein wenig nach unten gehen, liegt nicht an einer schlechteren Konjunktur. Die Metallbranche boomt nach wie vor."

Bangemachen gilt nicht

Als Konsequenz bezeichnet Neugebauer die unterschwellige Drohung der "Berufspessimisten vom VBM", ein hoher Abschluss gefährde tausende von Arbeitsstellen, als "dummes Argument" und stellt klar: "Die einzigen, die Arbeitsplätze gefährden, sind die, die weltweit spekulieren und vor Gier den Hals nicht voll kriegen." In der Tat hat das Unken der Arbeitgeber in Tarifrunden Tradition. Erst vor kurzer Zeit verbreitete der Verband der Bayerischen Metall- Elektroindustrie, man habe 50.000 neue Stellen geschaffen - und verschwieg wohlweislich, dass dies trotz einer Tariferhöhung von 4,1 Prozent im Jahr 2007 gelang.

Verständnis für die Forderung

Vor diesem Hintergrund befürchtet Neugebauer auch nicht, dass mit der Angst einer Rezession der Rückhalt in der Bevölkerung für die Forderungen der IG Metall schwindet, "denn es geht um ein Stück mehr Gerechtigkeit."

Tatsächlich scheinen viele Menschen Verständnis für die Forderung von acht Prozent zu haben, zumal es kein Geheimnis ist, dass dies noch lange nicht das Niveau des Abschlusses ist. In Online-Umfragen wie dem <link http: www.ftd-portal.de stimmungscheck-0308 _blank external-link-new-window>Stimmungscheck der "Financial Times Deutschland" beurteilen immerhin 43 Prozent der TeilnehmerInnen die Lohnforderung der IG Metall als "angemessen"; bei einer Forsa-Umfrage des "Stern" hatten bereits Ende September 53 Prozent der Forderung zugestimmt, fünf Prozent fanden sie sogar zu niedrig.

Möglicherweise bringt die Finanzkrise einen Faktor in die Gleichung, mit dem die Arbeitgeberverbände nicht gerechtnet haben: Die Erkenntnis, dass die immer rücksichtslosere Jagd nach schnellen Gewinnen um jeden Preis in eine Sackgasse führt.