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03.07.2024, 17:07 Uhr

ProDi setzt falsch an

  • 13.04.2004
  • Allgemein

Interview mit Birgit Steinborn, Betriebsratsvorsitzende der NL Hamburg

ProDi setzt falsch an

Im Herbst 2000 startete Siemens das Projekt „Promoting Diversity“ (ProDi) mit dem Ziel den Frauenanteil in Führungspositionen deutlich zu erhöhen. Das Ergebnis: In drei Jahren stieg der Frauenanteil im ÜT-Kreis von 5,7 auf 7,2 Prozent. Siemens verkauft das nun als großen Erfolg, obwohl ursprünglich die Verdoppelung des Frauenanteils auf 15 Prozent geplant war.

 

Ein Interview mit der ProDi-Expertin Birgit Steinborn, BR-Vorsitzende der NL Hamburg, zum aktuellen Stand der Frauenförderung bei Siemens:

 

Siemens Dialog: Hältst Du ProDi für ein erfolgreiches Projekt?

Birgit Steinborn: Das muss man differenziert betrachten. Das Projekt ist erfolgreich, weil das erste Mal der Fokus auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern gerichtet wurde. Siemens hat anerkannt, dass Frauen im Unternehmen unterrepräsentiert sind - man will etwas dagegen tun.

 

Was hat sich durch ProDi genau verbessert?

Zahlreiche Frauen sind in den AT-Kreis ernannt worden. Außerdem hat Siemens begleitend neue Projekte für junge Frauen gestartet wie zum Beispiel den „Girls Day“ oder das „Yolante“-Programm für Abiturientinnen, um den Frauenanteil in technischen Studiengängen zu erhöhen. Es sind auch überproportional mehr Ingenieurinnen eingestellt worden im Vergleich zu den Studienabgängerzahlen.

 

Siemens brüstet sich auch Angebote zur Kinderbetreuung eingeführt zu haben...

Seit 2003 gibt es eine Babysitter-Börse im Intranet. Am Standort Erlangen existiert außerdem eine Notfall-Betreuung, wenn die Eltern zu unvorhergesehenen Terminen müssen. An anderen Standorten wird eine Ferienbetreuung für Kinder organisiert.

 

An welcher Stelle hat das ProDi-Projekt dennoch konkret versagt?

Die Ziele, die sich die Firma gesetzt hatte, wurden nicht erreicht. ProDi hat nur kleine Erfolge gebracht. Eigentlich war die Verdoppelung des Frauenanteils im ÜT-Bereich auf 15 Prozent anvisiert. Auch bei der Erhöhung des Frauenanteils im technischen Bereich gibt es noch viel aufzuholen. Das Wesentliche ist, dass nicht viel für Frauen getan wurde, die in den unteren und mittleren Ebenen im Unternehmen sind. Doch ProDi war von vornherein eher als Recruiting- und Förderprogramm für Frauen in Führungspositionen angelegt.

 

Wird ProDi 2004 weiter vorangetrieben?

Im Augenblick gibt es keine großen Anstrengungen. Doch sollen Mentoringprojekte für angehende Spitzenführungskräfte fortgeführt werden. Mitarbeiterinnen mit hohem Potential erhalten eine Mentorin oder einen Mentor an die Seite gestellt, die sie in ihrer beruflichen Entwicklung beraten. Leider gibt es bei Siemens immer noch sehr wenige Frauen, die dafür in Frage kommen. Die Förderung von Frauen sollte bei Siemens deshalb grundsätzlich weiter unten ansetzen.

 

Welche ist die Alternative zum ProDi-Programm?

ProDi ist vorwiegend ein Recruiting-Programm, um neue Mitarbeiter in die Firma aufzunehmen und um Führungskräfte zu fördern. Wir Siemens-Frauen aber wollen ProDi plus - ein Programm, dass ich auch an die unteren und mittleren Ebenen im Unternehmen wendet. Das sind die Bereiche in denen Frauen überwiegend beschäftigt sind.

 

Welche ist Deine Bilanz?

Prodi setzt falsch an, in einer zu hohen Ebene, in der Frauen noch nicht sind. Auch der Ansatz Frauen neu einzustellen ist in dieser Ausschließlichkeit falsch. Es gibt ja bei Siemens bereits Frauen im technischen Bereich, doch denen werden immer noch Steine in den Weg gelegt.

 

Hat sich in den Köpfen etwas verändert?

In den Köpfen der obersten Führungsebene sicherlich. Es wurde ja auch Zeit. In anderen Ländern und in anderen Betrieben sind Frauen in Fach- und Führungspositionen schon viel selbstverständlicher. Auch junge Frauen bei Siemens fordern heute viel selbstverständlicher ihre beruflichen Ziele bei ihren Führungskräften ein.

 

Wie siehst Du die Zukunft für die Frauenförderung bei Siemens?

Der neue Arbeitsdirektor verspricht weiterzumachen. Aber ich bin skeptisch. Denn vor drei Jahren, als ProDi gestartet wurde, hat man einen Ingenieursmangel erwartet und sich deshalb an die Frauen erinnert. Heute will Siemens lieber Ingenieure in Indien oder Tschechien beschäftigen. Diese Pläne der Firma werden starke Auswirkungen auf die Beschäftigung zum Beispiel in der Buchhaltung, Personalabteilung und anderen internen Diensten haben, wo viele Frauen arbeiten.

 

Was können die Betriebsrätinnen tun?

Bei Verlagerungen und Schließungen ganzer Standorte wird ProDi sicherlich keine Priorität mehr haben. Um so mehr wird es darauf ankommen, dass wir als Betriebsrätinnen nicht nachlassen, sondern auch bei den Umstrukturierungen den Interessen von Frauen Rechnung tragen, sei es im Produktions- oder im Verwaltungsbereich. Die Akzeptanz dafür auf Firmenseite ist durch das ProDi-Projekt aber insgesamt besser geworden, meine ich.

 

 

 

Interview: Eva von Steinburg