Siemens Dialog
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03.07.2024, 19:07 Uhr

Weitere Enthüllungen zu erwarten

  • 23.04.2007
  • Allgemein

Der Rücktritt Heinrich von Pierers als Aufsichtsratsvorsitzender wird offenbar von vielen als eine Art Befreiungsschlag empfunden, wie auch der Kursanstieg der Siemens-Aktie nach Bekanntwerden der Entscheidung zeigte. Ein Ende der Enthüllungen scheint dennoch nicht in Sicht.

Wie der Leiter des IG Metall-Siemens Teams und Aufsichtsrat Dieter Scheitor gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärte, geht er von weiteren Enthüllungen aus; der Skandal habe mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Ende noch nicht erreicht.

In der Tat lässt darauf einiges schließen. Die seit Beginn der Ermittlungen bei Siemens auffallend gut informierte "<link http: www.sueddeutsche.de wirtschaft artikel _blank>Süddeutsche Zeitung" zitiert aus einem Memorandum des langjährigen AUB-Bundesvorsitzenden Wilhelm Schelsky, der darin seine Beziehungen zu Siemens so ausführlich wie brisant festgehalten haben soll. Hinzu kommt das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung von 1997, das den Verdacht stützen könnte, bei Siemens sei man auch in der Chefetage schon damals in Sachen AUB informiert gewesen. Zu guter Letzt gibt es offenbar Indizien, auch der heutige CP-Leiter Günther Goth könne unter Umständen in die AUB-Affäre verwickelt sein.

"Eigentlich nicht zu Papier bringen"...

... hätte Schelsky nach Ansicht eines Siemens-Managers schon 1995 seine akribischen Schilderungen. Er tat es trotzdem, und soll laut "SZ" nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zwischen 1991 bis 2006 rund 50 Millionen Euro erhalten und im Sinne von Siemens für die AUB eingesetzt haben. Die Grundlage des engen Geflechts entstand nach diesen Aufzeichnungen Ende der achtziger Jahre, als Schelsky gemeinsam mit drei hohen Managern darüber nachgedacht habe, wie man die IG Metall bei Siemens schwächen, oder, vornehmer ausgedrückt, die "Mitbestimmungsverhältnisse auf den Ebenen Betriebsrat und Aufsichtsrat nachhaltig" verändern könne.

Schelsky hielt weiter fest, 1990 habe Siemens ihn ermutigt, "die Firma zu verlassen und sich als Unternehmensberater selbständig zu machen." Das hat er bekanntlich auch getan - nicht bekannt war allerdings bislang, dass Siemens ihm dabei wohl eine Rundumabsicherung mit auf den Weg gab, von der die meisten Ex-Siemensianer nur träumen nur können: ein fünfjähriges Rückkehrrecht auf einen höheren Posten, eine lebenslange Pension von 3.700 Euro ab dem 60. Lebensjahr, dazu viele lukrative Aufträge für seine Unternehmensberatung. Die Verträge unterschrieb der damalige Erlanger Personalchef Eberhard Koffka, der sich heute erinnert, er habe sich "damals schon über die Großzügigkeit gegenüber Herrn Schelsky gewundert."

Mitbestimmung im Sonderangebot

Schelskys Aufzeichnungen geben auch Auskunft darüber, was mit dem in den folgenden Jahren reichlich fließenden Geld geschah: Zeitungen, Werbematerial und Seminare für die AUB habe es gegeben, abgesegnet durch regelmäßige Kontrollen von Siemens. Das Ergebnis war offenbar eine Win-Win-Situation im wahrsten Sinne des Wortes, notierte der umtriebige Unternehmer weiter: Die Mitbestimmungskosten bei Siemens lagen auf Grund seiner Bemühungen im Vergleich etwa zu Daimler Benz relativ niedrig. Alles Dank der intensiven Bemühungen gegen die IG Metall: Im Vergleich zu den "möglichen Kosten durch eine radikalisierte Monopol-Gewerkschaft IG Metall haben sich die bisher aufgewendeten Gelder sicherlich gelohnt", urteilte Schelsky.

Imageschaden nach außen und innen

Erst im Zuge der durch die Schmiergeldaffäre Ende 2006 ausgelösten internen Prüfungen fiel die undurchsichtige Beratertätigkeit Schelskys auf und wurde flugs beendet. Zu spät war es da allerdings schon, intensive Ermittlungen und das stückweise Bekanntwerden der peinlichen Vorgänge zu verhindern. Rein juristisch gesehen mögen viele mögliche Vorwürfe wie Steuerhinterziehung und Untreue verjährt sein. Was in jedem Fall bleibt, ist der Schaden fürs Image nach außen - und nach innen, wo sich viele langjährige Beschäftigte und Betriebsräte sowohl der IG Metall als auch der AUB fragen müssen, was alles in der Mitbestimmung der vergangenen Jahre ohne die Machenschaften des AUB-Chefs womöglich anders gelaufen wäre.