Siemens Dialog
https://www.dialog-igmetall.de/international/neue-siemens-kultur
03.07.2024, 23:07 Uhr

"Neue Siemens-Kultur"

  • 16.07.2008
  • Allgemein

... nannte Bayerns IG Metall-Bezirksleiter Werner Neugebauer vergangene Woche, was derzeit bei Siemens geschieht. Dort will man, so scheint es zumindest, möglichst viele Baustellen gleichzeitig schaffen. Vielleicht hofft man, damit die Arbeitnehmerseite so in Anspruch zu nehmen, dass sie an Kapazitätsgrenzen stößt. Das allerdings wird so leicht nicht klappen.

SG&A-Programm, "sonstige Restrukturierungsmaßnahmen", individuelle Information bis Ende August aber nur nach Abschluss der Verhandlungen mit den Interessenvertretern - wie soll das wohl gehen, wenn diese noch nicht einmal begonnen haben? -, Strellenstreichung bei Electronic Assembly Systems, Verkauf tausender Werkswohnungen, Gehaltskürzungen im Healthcare-Vertrieb, Überlegungen zu einer Trennung von FSC - die Liste ist lang. Und orientiert man sich an den Entwicklungen der vergangenen zwei Wochen, ist sie womöglich trotzdem noch nicht am Ende.

Erhitzte Gemüter

Nicht trotz, sondern wohl gerade wegen dieses breiten Angriffs auf Themen, die vor allem die Beschäftigten essentiell betreffen, herrscht zunehmend und für Siemens-Verhältnisse ungewöhnlich heftig Aufruhr im Unternehmen. Im besonders stark betroffenen Bayern, aber auch an anderen Standorten quer durch die Republik folgten und folgen auf Siemens' Pressekonferenz vom achten Juli außerordentliche Betriebsversammlungen. Interesse und Zulauf sind verständlicherweise enorm, und die Gemüter nicht nur jahreszeitlich bedingt erhitzt.

Rasenmäher statt Skalpell

Als ungerecht wird nicht nur die Art und Weise empfunden, in der das Management seine Pläne über Monate häppchenweise servierte, um dann wie schon so oft in der Vergangenheit genau vor der Sommerpause mit den dicksten Brocken aufzuwarten. Rücksichtslos und kaum nachvollziehbar wirkt vor allem, dass Siemens mit derart massiven und pauschalen Maßnahmen vorgehen will, wo punktuelle Verbesserungen und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ansätze im Interesse des ganzen Unternehmens  wären.

"Für uns ist klar: Es darf diesen Abbau so nicht geben", resümiert daher der zweite Münchner IG Metall-Bevollmächtigte Michael Leppek zu Wochenbeginn, was die Mehrheit denkt. Nicht nur er unterstreicht erneut, dass angesichts guter Geschäftszahlen und hoher Belastung der Beschäftigten ein Abbau in der vorgesehen Größenordnung langfristig eher geschäftsschädigend wirken würde. Streichungen in diesem Umfang hätten dann zur Folge, dass man womöglich mit der Arbeit nicht mehr nachkomme: "Man presst alle Standorte aus wie Zitronen."

Stabiler Widerstand

Der Widerstand der Arbeitnehmerseite könnte so manchen Siemens-Manager überraschen. Die "Siemensianer" sind zwar in der Tat dafür bekannt, dass sie loyal zu ihrem Unternehmen stehen und nicht aus jedem Anlass zu Demonstrationen, Aktionen oder gar einem Arbeitskampf greifen. Dieses Mal allerdings könnte die Rechung anders aussehen, denn es geht eben nicht um einen beliebigen Anlass, sondern um grundlegende Einschnitte in die Zukunft des Unternehmens. Und deshalb gilt, was Neugebauer mit Blick auf die zu erwartende Auseinandersetzung auch sagte: "Ich habe nicht vor, bei Siemens zu verlieren."

Teilen

International