Siemens Dialog
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03.07.2024, 19:07 Uhr

Epcos Heidenheim: Kampf gegen den Abbau

  • 02.02.2006
  • Konzern

Betriebsräte und Vertrauensleute bei Epcos in Heidenheim fürchten um die Zukunft ihres Standorts: Nach zahlreichen "Verschlankungen" soll die Beschäftigtenzahl wieder halbiert werden. Die Bundesregierung zeigt wenig Interesse.

Von ursprünglich rund 1.500 Beschäftigten im Jahr 2000, kurz nach dem Börsengang des ehemaligen Siemens-Bereichs Bauelemente, arbeiten in Heidenheim nach regelmäßigen Verkleinerungen derzeit noch 620. Die abgebauten Kapazitäten wurden verlagert, erst nach Portugal, später nach Ungarn, schließlich nach China.

 

Langsame Auszehrung des Standorts

2003 hatten Betriebsrat und IG Metall nach längerer Auseinandersetzung mit der Geschäftsleitung Einbußen bei Weihnachtsgeld und Leistungslohn akzeptiert, um dafür eine Beschäftigungsgarantie zu bekommen. Diese läuft am 30. September 2006 aus  - nun plant die Geschäftsleitung eine weitere Reduzierung der Belegschaft auf die Hälfte oder gar noch weniger. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass es sich bei dieser Maßnahme um den nächsten Schritt auf dem langen Weg zur endgültigen Schließung handeln könnte.

Die Bitte um Unterstützung aus Berlin...

Wie Andreas Strobel, erster Bevollmächtigte der Heidenheimer IG Metall, berichtet, haben Betriebsrat und Vertrauensleute Anfang Dezember den frischgebackenen Bundeswirtschaftminister Michael Glos (CSU) um Unterstützung gebeten. In einem Brief forderten die Beschäftigtenvertreter den Minister auf, auf den Großaktionär Siemens hinsichtlich einer Änderung der Planung einzuwirken; damit, so die Hoffnung der Heidenheimer, könnte Siemens möglicherweise von den Plänen abrücken und die üblen Folgen für die Betroffenen und die ganze Region spürbar abmildern.

Argumente für den Erhalt der Stellen gibt es genug. Der betroffene Bereich der Tantal-Kondensatoren wurde in der jetztigen Form als Innovationsschub im Zusammenhang mit der Beschäftigungs-sicherung ausgebaut und im Dezember an den amerikanischen Konkurrenten <link http: www.kemet.com _blank>Kemet verkauft. Als Grund nannte Epcos pauschal mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit - kein Wunder, entgegnen die Betriebsräte, als noch im Stabilisierungsprozess stehende Technologie besteht der Wert des Bereichs nicht in aktuellen Gewinnen des Bereichs, sondern in seiner künftigen Bedeutung für das ganze Unternehmen. Dass Kemet das Geschäft mitdne Kondensatoren übernehmen und in Protugal weiterführen will, unterstützt diese Einschätzung.

...verhallt ungehört

Das Management lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken, und auch Wirtschaftminister Glos mag sich dem Einsatz zahlreicher anderer Politiker für den Erhalt der Stellen nicht anschließen. Die parlamentarische Staats-sekretärin Dagmar Wöhrl (CSU, Bild) antwortete in seinem Auftrag am 9. Januar mit einem knappen Schreiben: Die Unternehmens-leitung habe auf Nachfrage bestätigt, dass es zur geplanten Reduzierung der Belegschaft keine Alternative gebe (etwas anderes war nun eigentlich wirklich kaum zu erwarten). Die Bundesregierung sei zu "Neutralität im unternehmerischen Wettbewerb verpflichtet", bitte um Verständnis, dass sie keinen Einfluss nehmen könne, und: "Bundesminister Glos hat deshalb davon abgesehen, sich bei der Siemens AG für die Aufrechterhaltung dieses Geschäftsfelds einzusetzen."

Da fragt man sich, wie andere ranghohe Politiker es denn trotz dieses Totschlagarguments bisher in größeren (oder nur medienträchtigeren?) Konflikten rechtfertigen konnten, für die Belange von Beschäftigten einzutreten. Niemand verlangt schließlich von Glos, dass er eine Offensive gegen Siemens startet - aber verletzt es schon die hehren Neutralitätsgrundsätze, sich für Heidenheim einzusetzen? Und wie kann es dann beispiels-weise Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) verantworten, streikende AEG-Beschäftigte in Nürnberg zu besuchen?

Nach Meinung der Heidenheimer Beschäftigtenvertreter ist die Antwort der Staatssekretärin aus dem Wirtschaftsministerium "an Zynismus nicht zu überbieten"; sie empfinden es verständlicherweise als scheinheilig, wenn sich Politiker öffentlich Sorgen um die Arbeitsplätze in Deutschland machen, der Bitte um Engagement im konkreten Fall dann aber mit fadenscheinigen Allgemeinplätzen ausweichen. Die Epcos-Betriebsräte und die Heidenheimer IG Metall jedenfalls werden sich damit nicht zufriedengeben: "Wir bleiben an der Sache dran."

Vielleicht hat zumindest dafür auch Staatssekretärin Wöhrl Verständnis. In der Rubrik "<link http: www.dagmar-woehrl.de _blank>wöhrls words" konstatiert sie auf ihrer Website schließlich unter anderem: "Um politisch etwas zu ertrotzen, braucht man nicht unbedingt die Sprengkraft eines Vulkans, sondern vielmehr die Sturheit eines Maulesels."