Siemens Dialog
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04.07.2024, 01:07 Uhr

Die "Unabhängigen" mit neuem Geschäftsmodell?

  • 03.04.2008
  • Allgemein

In München Perlach wird bekanntlich im April ein neuer Betriebsrat gewählt. Dieser Tatbestand beflügelt die Liste „Die Unabhängigen“ offensichtlich zu überraschender Aktivität. Jedenfalls hat man sich eine Website zugelegt, auf der allerlei mehr oder weniger Lesenswertes zum Thema sich findet. Bei der Lektüre jedenfalls stellt sich die Frage:

Versuchen sich die Herren Amberg und Schöpke neuerdings als Satiriker?

Zunächst fällt auf, daß die „Unabhängigen“ sich wenig bis gar nicht zu aktuellen Problemen und deren möglichen Auswirkungen auf den Betrieb äußern und somit quasi Null Programmatik bringen. Da belassen sie es bei der sattsam bekannten AUB-Leier, man müsse eng mit der Leitung zusammenarbeiten, was gut für den Betrieb ist, ist auch gut für die Beschäftigten, etc. Daß das ein durch reichlich Spenden der Siemens AG via Herrn Schelsky gesponsortes Ammenmärchen ist, wissen alle die unter der „Betriebsratsarbeit“ der Unabhängigen zu leiden hatten. Aber wie gesagt, diese Position wird nicht groß belegt oder illustriert, sondern die Website befaßt sich ganz überwiegend damit, mit Dreck zu schmeißen. Natürlich in Richtung IG Metall.

Nun könnte man mit Helmut Kohl sagen, die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter, denn die ja auch schon stereotypen Anwürfe, alles fremdbestimmt und ferngesteuert … langweilen eher. Doch gibt es in paar Dinge, die lassen vermuten, daß das, was die Unabhängigen unter Wahlkampf verstehen, den mißglückten Versuch einer Satire darstellt. Denn die meisten Artikelchen sind dermaßen offensichtlich unwahr, überzogen und so doof polemisch, daß man vermuten könnte, die Herren wollen sich selbst karikieren.

Am auffälligsten ist das bei den zahlreichen mißglückenden Versuchen, sich von der AUB und damit von der Finanzierung durch den Arbeitgeber zu distanzieren. Zwar sei man seit 20 Jahren „unabhängig“ als Betriebsrat tätig, zwar seien 20% der Kandidaten mit oder ohne Unterbrechung Mitglied der AUB und/oder ihrer Nachfolgeorganisation, deren Namen sich zu merken wir unterlassen haben, weil es sich wohl kaum noch lohnt, wertvollen Speicherplatz damit zu belegen, aber man habe von nichts gewußt und wasche seine Hände in Unschuld:

Darüber hinaus weisen wir jeden Vorwurf der Korruption auf das schärfste zurück. Unsere Kandidatinnen und Kandidaten auf der Vorschlagsliste 2008 haben mit dem Finanzierungsskandal der Siemens AG nicht das Geringste zu tun. Dieses ist alleine eine Angelegenheit zwischen der Siemens AG und Herrn Schelsky, früher AUB-Vorsitzender“, tönt es da.

Dumm nur, daß der Herr Schöpke, aktiver Redakteur der Site, in einem  <link http: www.stern.de wirtschaft unternehmen :siemens-gute-räte- _blank external-link-new-window>undefinedStern-Artikel aus Heft 15/2007 anderes zu berichten weiß: "Es sei ihm bekannt gewesen, räumt Betriebsrat Thomas Schöpke von der AUB im Siemens-Werk München-Perlach ein, "dass bestimmte Geschäftsstellen nicht im Etat auftauchten, dass Mitarbeiter ganz woanders geführt werden". Also gab es doch den einen oder anderen Spitzenkandidaten der Unabhängigen, der sehr wohl wußte, daß es mit den Schelskyschen Wohltaten nicht ganz koscher zuging. Alles andere würde die Herrschaften ja auch als völlig überforderte Deppen dastehen lassen.

Ähnlich geht ein Kandidat der Unabhängigen, bei dem es sich dem Foto nach um einen Herrn Nielsen handeln muß, mit der Wahrheit um, indem er versucht, die IG Metall wegen des ETV bei der SIS in den Senkel zu stellen. „Wenn zwei Tarifparter (sic) etwas aushecken, kommt meistens nichts Gutes dabei heraus“ resümiert er seine Kritik. Wir wollen hier nicht über die Qualität dieses ETV streiten oder darüber, wie er von AUB Betriebsräten ziemlich dilettantisch umgesetzt wurde.

Interessant ist vielmehr, wie hier mit der Wahrheit verfahren wird. Denn es war durchaus nicht die Idee der IG Metall, für die SIS einen Tarifvertrag zu schließen. Dieses Ansinnen kam von Siemens AG und dem AUB-dominierten GBR der SBS. In einem Beschluß dieses AUB GBR vom Juli 2006 verpflichteten sich gemäß des kooperativen Politikstils der Unabhängigen Leitung und Betriebsrat gegenseitig zu folgendem:
"SBS UL verpflichtet sich ... unverzüglich eine bundesweite Tarifbindung herzustellen und Verhandlungen mit der IG Metall über einen zeitlich begrenzten Ergänzungstarifvertrag zu beginnen.
Die SBS Betriebsräte verpflichten sich … Verhandlung mit der IG Metall und Einführung eines zeitlich begrenzten Ergänzungstarifvertrags aktiv zu unterstützen (GBR/BR)."

Auf Basis dieser Selbstverpflichtungen und vor allem aufgrund der Tatsache, daß der Abschluß eines solchen ETV von der Geschäftsleitung zu Voraussetzung für eine Sanierung der SBS gemacht wurde, sprich andernfalls mit der Abwicklung der SBS zu rechnen war, trat die IG Metall der Idee näher, den RD-Tarifvertrag, der in einer ähnlichen Situation entstanden war, evtl zu erweitern und so die SBS erstmals und dauerhaft in die Tarifbindung zu integrieren. Bis dahin nämlich war man ja unabhängig.

Der AUB Mehrheit im GBR konnte das alles gar nicht schnell genug gehen und so erhielt die IG Metall im September 2006 folgendes Schreiben:

"Mandat an die IG Metall

Sehr geehrte Frau Fehrmann,

auf der Basis des vom Bereichsvorstand der Siemens Business Services GmbH & Co OHG (SBS) vorgestellten Zukunftskonzepts der SBS bekräftigt der Gesamtbetriebsrat (SBS GBR) seine Position, dass betriebsbedingte Kündigungen bei der Sanierung der SBS so weit als möglich vermieden werden sollen.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, ist neben anderen Instrumenten, wie attraktiven Aufhebungsangeboten, ggf. verbunden mit dem Angebot alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten oder der Einrichtung von Transfer- und Qualifizierungsgesellschaften mit sozial vertretbaren Konditionen, erforderlich, alternative Wege zur Kosteneinsparung zu gehen.

Aus diesem Grund greift der SBS GBR die vom Arbeitgeber angekündigte Absicht einer Verhandlung mit der zuständigen Gewerkschaft IG Metall über tarifvertraglich geregelte Personalkostensenkungen zur Vermeidung von Personalabbau auf und bittet seinerseits die Verantwortlichen der IG Metall, diesen Verhandlungswunsch aufzugreifen und mit der Zielrichtung der Sicherung der Arbeitsplätze in den Standorten und Regionen der SBS zu verhandeln.

Als Sprecher gegenüber der Tarifvertragspartei bestimmt der SBS GBR aus seiner Mitte den Fraktionssprecher der IG-Metall-Fraktion (Konrad Jablonski, BR Paderborn).

Mit freundlichen Grüßen
gez. Hildegard Cornudet, GBR-Vorsitzende; gez. Manfred Jankowitsch, 1. stellv. GBR-Vorsitzender; gez. Konrad Jablonski, 2. stellv. GBR-Vorsitzender"

Da man also bei den ach so Unabhängigen nicht mehr weiter wußte, wurde die heiße Kartoffel flugs in dieselbe Richtung geworfen, wie die Anwürfe der Herren Amberg und Schöpke. Mit dem Ergebnis hat man dann nix mehr am ´Hut. So sieht also verantwortliche Betriebsratsarbeit bei den Unabhängigen aus. Und nur zur Nachhilfe: Tarifverträge gelten verbindlich nur zwischen Arbeitgeber und den Mitgliedern der IG Metall im Betrieb. Das gilt übrigens auch für den Kündigungsschutz etc. Da die Unabhängigen bekanntlich kaum Mitglied bei uns sind, gilt der ETV für sie gar nicht. Mögen sie also, wenn ihnen das nicht paßt, mit ihren ach so effektiven Mittel um Besserung kämpfen. Da kann man in der Tat 1% Gewerkschaftsbeitrag sparen. Aber 4,7% Tariferhöhung halt auch. Avanti Dilettanti.

Auch im Dreckschleudern zeigt sich oft ein merkwürdiger Umgang mit Daten und Zahlen. An das Sprichwort, das, wer im Glashaus sitze, besser nicht mit Steinen werfen solle, fühlt man sich erinnert, wenn die IG Metall eines zu aufwändigen Wahlkampfs beschuldigt wird, während man bei den Unabhägigen von 50 Mio Schelsky-Euro nie was gehört hat. Die IG Metall jedenfalls unterstützt Ihre Betriebsräte kompetent und angemessen. Das ist, wo nötig, der Service, den wir bieten, schließlich zahlen unsere Mitglieder ja genau dafür Beiträge. Allerdings sei am Rande erwähnt, daß die Perlacher IG Metall Betriebsräte weder Redakteure noch Wahlkampfmanager brauchen, sondern halt ab und an mal ein bißchen Beratung dazu, wie man sich gegen eine plötzlich klagewütig gewordene AUB in Ihrem Interesse wehrt.

Sie selbst können beurteilen, was wir in den letzten Monaten an "Materialschlachten" abgeliefert haben: Eine Analyse der einzelnen Abteilungen des neuen Betriebes, und ein paar Informationen über den merkwürdigen Versuch der Unabhängigen, sie am wählen zu hindern. Und auch hier wieder typisch Unabhängig. Im Dezember hieß es noch:

"Es sollen Neuwahlen erzwungen werden, ohne Berücksichtung der Fakten einer nach Meinung diverser Experten unklaren Rechtslage….  Wir finden das ist ein Skandal." Der SIS-Betriebsrat hat die Konsequenzen gezogen und Ende Februar 2008 beim Arbeitsgericht München Klage gegen die Rechtmäßigkeit dieser vom GBR angeordneten Neuwahl eingereicht.“

Zunächst als „Skandal“ und Empörung darüber, daß der GBR für eine demokratisch legitimierte Betriebsratswahl sorgt. Nachdem sich die angeblich "unklare" Rechtslage als untaugliches Manöver der AUB herausgestellt hat, durch Verhinderung von Demokratie ihre Pöstchen zu sichern, schwenkt man flugs um:

"Für uns UNABHÄNGIGE stehen die betriebsbezogenen Aspekte absolut im Vordergrund. Sehr wichtig wird die Integration aller am Standort ansässigen Bereiche vor allem auch der SIS sein, um schnellstens einheitliche Regularien, Arbeitsbedingungen und Betriebsvereinbarungen - die für alle Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter gleichermaßen gelten - herzustellen. Das wurde auch sehr deutlich durch den Rechtsanwalt der Firma Siemens bei der Verhandlung der 'Einstweiligen Verfügung' vorgetragen." His Masters Voice: Da haben die Schelsky-Jahre ihre Spuren hinterlassen.

Alles in allem also eine recht krude Website.

Gott sei Dank sind Sie es gewohnt, sich Ihre eigene Meinung zu bilden, die im Stile einer großen deutschen Tageszeitung versuchte Meinungsbildung à la Unabhängige ist eher zum Lachen.