Siemens Dialog
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03.07.2024, 20:07 Uhr

Unabhängig von früheren Überzeugungen?

  • 11.04.2008
  • Allgemein

Dass die AUB sich traditionell gern den einen oder anderen Verdienst der stets geschmähten Gewerkschaften diskret an die eigene Brust heftet, ist nichts neues. Überraschend ist allerdings aktuell, mit welcher Unverfrorenheit einer, der mittlerweile sein Mäntelchen zum "Unabhängigen" gewendet hat, sich zu eigen macht, was seine Organisation ungewöhnlich heftig bekämpfte.

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Als im Jahr 2000 die schließlich 2001 umgestzte Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes diskutiert wurde, ging AUB-Chef Wilhelm Schelsky gefolgt von seinen treuen Gesinnungsfreunden auf die Barrikaden. Die Forderungen des DGB bedeuteten ihrer Meinung nach "eine faktische Entmachtung aller Betriebsräte und eine Entmündigung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch betriebsfremde Gewerkschaftsfunktionäre", die Investitionen verhindern und Arbeitsplätze vernichten würden.

Heute scheint anzunehmen, dass Schelskys Rage, die ihn sogar zu einer ungewohnten Betätigung als Demonstrant (Foto) motivierte, womöglich nur direkte Folge des Unbehagens auf Arbeitgeberseite gegenüber der Novellierung war.

Seitdem ist einiges passiert. Schelskys Motive oft unklare sind kein Geheimnis mehr und haben ihn hinter Gitter gebracht; die Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes hat sich aus Arbeitnehmersicht ungezählte Male bewährt und wird von niemandem mehr ernsthaft in Frage gestellt.

Das scheinen mittlerweile auch altgediente AUB-Kader einzusehen, unabhängig davon, ob sie noch trotzig zu ihrer "Arbeitsgemeinschaft" stehen oder unter neuer Flagge fahren. In Perlach jedenfalls leitet ein Kandidat der "Unabhängigen" auf deren Website seinen Bericht aus der Bildungsausschussarbeit mit dem lapidaren Statement ein, "Mit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) aus dem Jahre 2001 wurden die Beteiligungsrechte des Betriebsrates deutlich ausgeweitet."

Moment mal. Ausgeweitet? Deutlich ausgeweitet?!? War die Novellierung nicht eine "faktische Entmachtunge der Betriebsräte und eine Entmündigung"?

Offenbar nicht. Genauso wenig, wie man heute noch offen gegen andere Erfolge der IG Metall meckern will. Nur: Erwähnen, dass sie nicht auf dem Mist der "Unabhängigen" beziehungsweise ihrer Vorgängerorganisation gewachsen sind, will man augenscheinlich auch nicht.

Statt dessen erklärt man ausführlichst, was die "Unabhängigen" in Sachen Bildung anstreben: dass die Weiterbildung aus der Zufälligkeit und Annonymität in das Bewußtsein geholt wird, Vorgesetzte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Weiterbildung als wichtige Aufgabe für die Zukunftssicherung unserer aller Arbeitsplätze begreifen und aktiv gestalten und dergleichen mehr. Mit anderen Worten: Genau das, was die IG Metall-Betriebsräte seit jeher mit deutlich weniger Aufhebens, aber umso mehr Engagement fordern und zum Teil auch längst durchsetzen konnten.